10 Jahre Windows Phone: 8 Funktionen, die heute bei iOS und Android zu finden sind

Happy Birthday, Windows Phone! Das aus Windows Mobile entstandene mobile Betriebssystem aus dem Hause Microsoft wäre dieses Jahr im Oktober zehn Jahre alt geworden. Die letzten Windows Phones wurden vor ungefähr fünf Jahren verkauft, 2017 gab es das letzte Funktionsupdate. Trotzdem finden wir Windows Phone-Funktionen an jeder Ecke wieder. Das sind einige der wichtigsten Innovationen.

Während sich Monty Python während „Das Leben des Brian“ die Frage stellt, was die Römer jemals für sie getan hätten, möchten wir darauf eingehen, wie Windows Phone die letzten Jahre Android und iOS verändert haben. Denn: Obwohl Windows Phone sang- und klanglos von der Smartphone-OS-Welt verschwand, finden sich heute viele Features in Android und iOS wieder, ohne die mobile Betriebssysteme vielleicht ganz anders aussehen würden.

Live Tiles: iOS 14 lässt grüßen

Die Live Tiles zeigten vielfältige Informationen an – ohne Apps starten zu müssen.

Optisch am auffälligsten und sehr nah am Original sind die neuen Kacheln bei iOS 14, mit denen man weitere Infos direkt auf dem Startscreen anzeigen lassen kann. Auch Steuerelemente für Spotify und Co. sind nun direkt im Hauptmenü aufrufbar, anstatt erst die Anwendung öffnen zu müssen.

Das war ursprünglich eines der ersten Alleinstellungsmerkmale für Windows Phone. Neben extrabreiten „Live Tiles“, wie sie damals hießen, ließen sich diverse Größen festlegen. Hier wurden dann die neuesten Bilder, der aktuelle Musiktitel, Termine oder das Wetter angezeigt. Viele Apps unterstützten die Funktion, dementsprechend beliebt war die Funktion. Sie konnte die Zeit in Apps deutlich verkürzen, weil auf einen kurzen Blick klar war, ob die neue Benachrichtigung überhaupt wichtig war – damals unter iOS und Android fast unmöglich.

iOS 14 übernahm mit den Widgets Funktionen der Live Tiles.

Dass diese Funktion nun von Apple übernommen wurde, ist dabei keinesfalls schlimm – wie auch die PCWorld Australia schreibt: iOS14 is clearly inspired by Windows Phone, and that’s OK.

Betriebssystem-Updates in fix

Eher unspannend sind die Update-Möglichkeiten von Windows Phone. Naja, zumindest wenn man sie sich unter dem Aspekt der heutigen Update-Politik verschiedener Hersteller anschaut. Was damals besonders war: Alle Windows Phones hatten die gleiche Software installiert, Hersteller mussten nur minimale Anpassungen vornehmen und konnten das Update schnell ausspielen.

Vor zehn Jahren war es noch Gang und Gäbe, dass ein Betriebssystem-Update erst noch durch die Hand der Provider gehen musste. Und erst, wenn Telekom, Vodafone und Co. mit der (monatelangen) Prüfüng fertig waren, ging die Software aufs Smartphone. Das dauerte unnötig viel Zeit. Dieser Schritt hat sich 2020 bei Android und iOS glücklicherweise auch erledigt. Vor einiger Zeit war das aber noch ein großes Problem – bei welchem Windows Phone moderne Lösungsansätze bot.

XBOX-Integration

Der Xbox Hub verband Smartphone-Games mit der Heimkonsole.

Windows Phone sollte damals auch die „Zocker“ abholen. Dafür gab es eine XBOX Live-App, die alle wichtigen Funktionen eines Gaming-Companions bot. Dazu gehörte unter anderem die Anzeige der eigenen Achievements, Übersicht aller Spiele, Übersicht vieler Handy-Games mit XBOX Live-Support und Messenger-Funktionen für die Spieler-Freundesliste.

Mit der Marke XBOX hätte man damals eine große Zielgruppe erschlossen, wenn man das Thema stärker platzieren hätte können. Allerdings reichte die Rechenleistung der Handys nicht aus, um auch mobiles Gaming vernünftig zu ermöglichen. Klar, Asphalt und weitere Klassiker liefen – richtig grafisch aufwändige Titel blieben aber meist außen vor.

Heute gibt es eine XBOX Companion-App, die die nötigsten Informationen auch auf iOS und Android bringt. Optisch oder inhaltlich ausgestaltet wie die ursprüngliche Windows Phone-App ist sie aber nur partiell.

Clevere Tastatur – mit besten Empfehlungen von SwiftKey

Die Tastatur von Windows Phone war optisch schlicht, aber dafür verdammt flott.

Als Windows Phone auf den Markt kam, waren selbst eingefleischte iOS- und BlackBerry-Nutzer von der Tastatur Microsofts verblüfft. Keine Touchscreen-Tastatur bis dato konnte so schnell genutzt werden; bei keinem Konkurrenzprodukt lief das Autocorrect nach kurzer Eingewöhnung so gut. Bis heute blicken einige Nutzer der Tastatur wehmütig hinterher.

Die Tastatur bestoch mit einer optischen Einfachheit, die sich in der Bedienung widerspiegelte – sie funktionierte einfach gut (ganz im Gegensatz zur Standard-iOS-Tastatur, die Nutzer unter anderem wegen der kleinen Buchstaben auf die Palme brachte). Mit Word Flow hatte man einen Vorreiter der automatischen Vervollständigungs-Funktion. Wie die Windows Phone-Tastatur so nutzerfreundlich wurde, lässt sich übrigens hier nachlesen.

Swype revolutionierte Tastatureingaben

Das allererste Smartphone mit Swype-Funktion war übrigens ein Samsung-Handy mit Windows Phone als Betriebssystem. Statt einzelne Buchstaben anzuklicken, war es nun erstmals möglich, den Finger über die Tastatur zu wischen und so ganze Wörter eingeben zu können. Die Funktion findet sich heute in der Standard-iOS-Tastatur, aber auch Googles gBoard und so ziemlich allen anderen beliebten Tastatur-Apps wieder.

Aus der Windows Phone-Tastatur entstand übrigens SwiftKey. Die App wird bis heute von Millionen genutzt: Microsoft beschäftigt heute rund 160 Personen, die die KI-Modelle weiter perfektionieren und so eine bessere Eingabe erlauben. Das Vermächtnis der Windows Phone-Tastatur bleibt also bis heute bestehen.

Drahtlos Laden? Schon 2012 Standard!

Handy aufs Ladekissen legen, fertig.

Das beste Windows Phone für die Massen war das Nokia Lumia 920. Es verband damals die beste Hardware mit der Qualität von Nokia. 8-Megapixel-Kamera, ein großer und heller HD-Bildschirm, Dualcore-Prozessor und weitere Funktionen ließen es mit Android-Flaggschiffen gleichziehen. Was aber besonders erwähnenswert ist: Das Nokia Lumia 920 war das erste Smartphone, welches drahtlos geladen werden konnte. Der QI-Standard, der bis heute bei allen Smartphones mit Drahtlos-Funktion genutzt wird, war damals noch in den Kinderschuhen.

Das Lumia 920 lud sich mit maximal 5 Watt Leistung drahtlos auf, durch die damals noch junge Technologie gingen aber auch ein paar Watt auf dem Weg ins Handy „verloren“. Besonders schnell war die Technologie nicht, dafür war es das erste weit verbreitete QI-Smartphone. Google zog mit dem Google Nexus 4 kurze Zeit später nach. Apple verkaufte die QI-Funktion Jahre später als „Game-Changing“ und strich sich große Lorbeeren ein, als die Unterstützung beim iPhone 2017 dazu kam.

Continuum: Wenn das Smartphone ein Rechner ist

Smartphone per USB-C anschließen und schon hat man einen PC.

Was eine Zukunfts-Vision: Das Smartphone per USB an einen Hub anschließen und schon hat man einen vollständigen Rechner. Das war der Plan für Windows Phone: Mit Windows RT hatte man bereits ein Betriebssystem für Laptops, welches auf der ARM-Prozessorplattform lief. 2016 wollte Microsoft dann aktuelle Windows Phones mit Continuum ausstatten: Tastatur, Maus und Monitor anschließen und schon liefen Word, PowerPoint und Co. wie am „echten“ Rechner.

Rund ein Jahr später zog Samsung nach und präsentierte DeX (Desktop eXperience). Das Galaxy S8 konnte dann eine Desktop-Version von Android laufen lassen. Seitdem gibt es noch ein paar weitere Hersteller, die sich am Konzept versuchten.

Bisher konnte aber niemand ein überzeugendes Produkt bieten; die Hürde mit Hub, Tastatur und Maus setzte sich dauerhaft nicht durch. Dafür war der Anwendungsfall zu spitz definiert. Wer Continuum sinnvoll einsetzen hätte können, nutzte entweder ein iPad oder nahm eines der neu aufkommenden Ultrabooks mit.

Kamera-Monster mit HDR-Unterstützung

Eine Kamera mit 41 Megapixeln, HDR und RAW-Bildaufzeichnung… Wann gab es das zu kaufen? 2019?

Bis heute ein Kameramonster: Nokia Lumia 1020.

Falsch. Das Lumia 1020 bot bereits 2013 eine solch hochauflösende Kamera. Technisch basierte das Kameramodul sogar auf einem noch älteren Smartphone, nämlich dem Nokia 808 PureView. Dieses kam noch mit Symbian als Betriebssystem. Mit einem Xeon- und LED-Blitz ausgestattet war das Lumia 1020 ein echtes Fotomonster. Zusätzlich gab es einen Foto-Griff, der einen dedizierten Auslöse-Button hatte und einen Extra-Akku bot. Besser ging mobiles Fotografieren damals nicht – und das war noch, bevor Instagram richtig erfolgreich wurde.

Und wenn Smartphones heute von 40 Megapixeln Auflösung sprechen, ist häufig nichts anderes als Pixel Binning gemeint: Vier 10-Megapixel-Fotos werden mit minimalstem Pixel-Versatz zusammengerechnet. Das finale Ergebnis simuliert dann ein höher auflösendes Foto.

HDR und RAW-Fotos haben sich ebenfalls erst in den letzten zwei, drei Jahren etabliert. Apple trieb die Entwicklung dort maßgeblich voran, da die Foto-Funktionen ab dem iPhone 10 mit Features wie künstlichem Bokeh und Studiobeleuchtung enorm an Stellung gewannen.

Mut zur Farbe – besonders bunte Optionen

Die Farbvielfalt von Nokia erreichte fast kein Hersteller. Hier: Das Lumia 920 in Blau, Rot, Gelb, Weiß und Schwarz.

Smartphones sind im Jahre 2020 wahlweise Silber-Metallic, Schwarz, Blau oder – wie beim Apple Product Red – Rot. Klar, das hat einiges mit den Materialien zu tun, die verwendet werden. Meistens Metall und Glas. Aber es geht auch viel bunter.

Windows Phone hatte fast schon eine Markenfarbe – und zwar das Lumia-Gelb. Der poppige Farbton hat einerseits die Lager gespalten, war andererseits ein klares Alleinstellungsmerkmal und stach aus dem Dschungel der schlichten Smartphones hervor.

Ähnlich bunt war kurze Zeit nach den Lumia-Smartphones zum Beispiel das Budget-Handy von Apple: Das iPhone 5c mit Plastik-Rückseite wartete mit einer Pastell-Farbreihe auf und konnte so auch jüngere Zielgruppen von sich überzeugen.

Besonders bunt war unter anderem das Lumia 930. Hier gab es neben Schwarz und Weiß das altbekannte Gelb, aber auch Orange und Grün, alles in besonders hervorstechenden Farben. Sogar Premium-Cover mit Leder oder nach eigenen Wünschen waren verbreitet.

Klar, heute nutzt fast niemand mehr Plastik-Cover. Fast nie lässt sich der Akku selbst austauschen. Und für den Wechsel der SIM-Karte entfernt man den SIM-Tray, anstatt die Rückseite abzunehmen. Trotzdem hat die Vielfalt die nächsten Generationen von Smartphones beeinflusst und die Farbe des Handys war ein starkes Statement.