Smartphone drahtlos laden: Das müssen Anwender wissen

Seit bereits zehn Jahren gibt es theoretisch die Möglichkeit, ein Smartphone drahtlos zu laden. Der Standard dafür nennt sich „QI“: Er wurde von einem Konsortium mit Mitgliedern wie Samsung, HTC, Philips, Qualcomm und Apple ins Leben gerufen. QI definiert, wie kleinere technische Geräte drahtlos mit Energie versorgt werden können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Nie wieder Kabelgewirr, nie wieder kaputte Ladebuchsen. Wie QI funktioniert und was Du beachten solltest, wenn Du Dein Smartphone drahtlos laden willst, erklären wir hier.

QI: Der eine Standard für alle Handys

2012 erlebten die ersten Smartphone-Nutzer, wie die Zukunft aussehen könnte: Samsung verbaute eine Technik, die es erlaubte, das Galaxy S3 drahtlos aufzuladen. Was damals wie ein Hexenwerk wirkte, ist heute im Alltag vieler Handy-Nutzer angelangt. Durch die Implementierung dieser Funktion in viele weitere Samsung-, Nokia- und LG-Handys wurde die QI-Technik zu einer gewünschten Funktion. Sogar Apple nutzt QI inzwischen beim iPhone 8 und iPhone X. Mittlerweile kann man sogar in öffentlichen Cafés wie Starbucks sein Smartphone drahtlos laden.

Durch die langsame Entwicklung von Cloud-Diensten und Apps, die die Erledigung so ziemlich aller Aufgaben über das Internet erlaubte, war man sich bereits um 2010 sicher: Die USB-Buchse wird irgendwann den Weg über den Jordan antreten. Was derzeit langsam aber sicher der Klinken-Buchse passiert, droht auch dem USB-Anschluss.

Die drahtlose Energieversorgung war aber für lange Zeit ein Mysterium. Schon 1910 schafften es Forscher, eine Glühbirne ohne Kabel zum Leuchten zu bringen. Diese Technik aber zu miniaturisieren und effizient zu gestalten, war eine schwierige Aufgabe. Denn: Niemand möchte 40 Watt verbrauchen, wenn davon nur fünf effektiv im Smartphone ankommen. Gleichzeitig sollten Smartphones nicht groß wie ein Backstein sein.

Smartphone drahtlos laden: Technische Funktionsweise

Während bei einem Kabel Elektronen einfach so fließen und durch die Lade-Elektronik im Akku gespeichert werden können, ist das bei einer drahtlosen Verbindung nicht ganz so einfach. Aber: Physikalisch ist es möglich, Energie auch durch die Luft zu übermitteln. Du kennst zum Beispiel Lichtbögen, die entstehen, wenn zwei Stromkabel zu nah aneinander kommen. Funkwellen sind auch Energieträger: Jedes WLAN-Signal, jede mobile Datenverbindung, alle Bluetooth-Wellen enthalten Energie. Und diese kann in gewisser Weise eingesammelt werden.

Der QI-Standard lässt sich recht gut mit induktiven Herden vergleichen. Im Gegensatz zu Heizstäben kommen bei induktiven Kochfeldern Spulen zum Einsatz, die Energie durch die Glaskeramik-Platte in den Boden der Pfanne oder des Topfes transferiert. Die Funkwellen werden hier in Wärme umgewandelt.

Auch bei QI kommt die Induktions-Technik zum Einsatz. Im Handy befindet sich eine Spule, die ein wenig wie eine Schnecke aussieht. Diese kann die Energie, die von der Ladestation transferiert wird, „einsammeln“ und in einen normalen Strom umwandeln. Dieser kann dann ganz normal den Akku laden.

Mit aktueller Technik ziemlich praktisch

Inzwischen sind die Bauteile für die QI-Ladetechnik sehr klein. Die Spule ist weniger als einen Millimeter dick und alle anderen Chips passen auf das normale Mainboard von Smartphones. Deswegen gibt es selbst sehr dünne Smartphones, die inzwischen drahtloses Laden unterstützen.

Das Problem bei dieser Technik ist aber der Wirkungsgrad: Während der Anfangszeit kamen nur rund 50 Prozent der Leistung wirklich beim Smartphone an. Das heißt: Bei zehn Watt, die das USB-Ladegerät zur Verfügung stellt, bekommt das Handy nur fünf Watt. Über einen längeren Zeitraum ist diese Ineffizienz nicht vertretbar. Inzwischen hat sich der Wirkungsgrad verbessert. Bis zu 80 Prozent des Stroms erreichen den Akku. Der Rest wird meist in Wärme umgewandelt. In idealen Umgebungen ist eine Übertragung von 95 Prozent machbar, wenn Du ein Smartphone drahtlos laden willst.

Je größer der Abstand zwischen den beiden Spulen der Ladeschale und des Handys ist, desto ineffizienter wird die Übertragung. Luft ist ein sehr schlechter Energieleiter. Theoretisch überbrückt die QI-Ladetechnik bis zu fünf Zentimeter. Dann kommt aber nur noch ein Bruchteil der Energie an.

Auch der Versatz der Spulen sollte nicht zu hoch sein. Idealerweise liegen beide direkt aufeinander auf. Schon eine Positionsverschiebung von wenigen Millimetern beeinträchtigt die Ladegeschwindigkeit und -effizienz. Eine genaue Positionierung ist also hilfreich, wenn Du Dein Smartphone drahtlos laden möchtest.

Ladeschalen und Handys miteinander kompatibel

Eines der ersten Ladepads kam von Nokia.Quelle: Fatboy
Eines der ersten Ladepads kam von Nokia.

Im Gegensatz zu Ladeanschlüssen, wo beispielsweise Apple mit Lightning auf eine Eigenentwicklung setzt, gibt es bei drahtloser Energieübertragung nur einen einzigen Standard. Das bedeutet: Mit jeder Ladeschale kannst Du Dein Smartphone drahtlos laden, wenn es QI unterstützt. Du brauchst Dir also keine Gedanken machen, welches Produkt für Dein Telefon passt. Die Ladestation kann von Apple, Nokia, Samsung oder auch einem völlig anderen Hersteller hergestellt worden sein. Selbst wenn beim Ladegerät nicht explizit QI-Technik erwähnt wird, kannst Du dir fast sicher sein, dass es kompatibel ist.

Übrigens: Theoretisch lädt ein QI-Smartphone auch auf einem Induktionsherd. Nur weil es funktioniert, sollte es aber keinesfalls ausprobiert oder sogar im Alltag genutzt werden. Ein Herd nutzt völlig andere Ströme als eine QI-Ladeschale.

Smartphone drahtlos laden und Schnellladen: Eine schwierige Beziehung

Stand der Technik ist, dass meist nur rund sieben bis acht Watt über die drahtlose Verbindung transferiert werden. Dafür gibt es eine Vielzahl von physikalischen Gründen. Zum einen müsste die Spule auf beiden Seiten wachsen, um den Strom zu erhöhen. Sie bräuchte mehr Windungen und einen größeren Kabelquerschnitt. Dafür müsste das Smartphone aber breiter sein. Zusätzlich wächst – durch den dickeren Draht – die Höhe des Handys. Diesen Kompromiss wird wohl kein Hersteller eingehen.

Zusätzlich steigt bei der Übertragung von viel Energie die Verlustleistung an. Das resultiert darin, dass die Temperatur der Ladeschale und des Smartphones steigt. Das wiederum verringert die Ladegeschwindigkeit, wenn Du Dein Smartphone drahtlos laden willst, da die Handys ab einer bestimmten Temperaur den Ladevorgang drosseln. Ohne die Drosselung würde die Kapazität des Akkus wiederum sinken. Hier müssen die Hersteller den perfekten Kompromiss zwischen Ladegeschwindigkeit, Größe und Verlustleistung finden. Der Akku sollte idealerweise geschont werden – auch von Dir. Wie Du die Akkus in Smartphones am besten schonst, haben wir Dir im Artikel „Handyakku richtig laden“ bereits zusammengefasst.

Autohersteller schaffen bereits die Übertragung von bis zu 3200 Watt. Die Ladegeräte sind allerdings viel größer, schwerer und werden auch um einiges wärmer, als dass Du sie anfassen könntest. Bis QI also Geschwindigkeiten wie bei kabelgebundenen Schnellladetechniken erreicht, dauert es noch einige Zeit. USB Power Delivery schafft es allerdings, ein Smartphone mit bis zu 28 Watt zu laden. Die maximal 15 Watt per QI, wenn Du Dein Smartphone drahtlos laden willst, sind damit natürlich nicht vergleichbar.

Schnellstes drahtloses Laden mit LG V30 und Galaxy-Geräten

Natürlich gibt es bei der Entwicklung der Technik keinen Stillstand. Während normale QI-Smartphones meist nur rund fünf Watt erhalten, ist LG ein Vorreiter. Das aktuelle Flaggschiff LG V30 bekam als erstes Handy eine neuere Version der QI-Technik spendiert. Die verbesserte Version des drahtlosen Standards hört auf den Namen „Extended Power Profile“ (EPP). Mit der neuen Iteration erreichen Ladegeräte theoretisch eine maximale Leistung von 15 Watt wenn sie ein Smartphone drahtlos laden. Bis es so weit ist, dauert es aber noch eine Weile.

Die Nutzer eines LG V30 dürfen jetzt erst einmal in den Genuss von etwas mehr als acht Watt kommen. Dafür benötigt das Smartphone aber eine Ladestation, die mit entsprechend mehr Ladeleistung zertifiziert ist.

Auch Samsung unterstützt schnellere Ladevorgänge über den Qi-Standard. Bis zu fünfzehn Watt nimmt das Ladegerät selbst auf. Wie viel davon beim Handy ankommt, sagt Samsung nicht.

Alle Qi-Ladeschalen sind aber sowohl abwärts- als auch aufwärtskompatibel. Das heißt: Ein Schnellladepad mit EPP-Unterstützung lädt auch ein älteres Smartphone problemlos. Gleiches gilt für eine alte Ladeschale, die Du vielleicht noch vom vorherigen Handy besitzt.

Drahtloses Laden nachrüsten

Theoretisch kannst du jedes Smartphone drahtlos laden. Eine Vielzahl von Drittanbietern bieten dünne Pads an, die Du an die Rückseite des Handys klebst. Ein dünnes Kabel wird in die Ladebuchse gesteckt. Schon kannst Du das Smartphone drahtlos laden.

Dieses Pad rüstet drahtloses Laden per Qi für alle Smartphones mit USB Typ C nach.Quelle: Amazon
Dieses Ladepad rüstet Qi für alle Smartphones mit USB Typ C nach.

Allerdings sieht ein solches Ladepad nicht gerade hübsch aus. Du könntest es natürlich mit einer Hülle verdecken, das klappt häufig aber nicht. Zusätzlich ist der Ladeanschluss dann belegt. Für jedes Mal, wenn das Handy normal geladen muss, müsstest Du das Ladepad komplett entfernen. Das stört, weil nicht überall Qi-Ladetechnik zur Verfügung steht.

Trotzdem ist das Nachrüsten als Einblick in die Technologie ganz spannend. Für rund 25 Euro gibt es Receiver, die mit so ziemlich allen Handys funktionieren und das Smartphone drahtlos laden. Ein günstiges Ladegerät dazu und et violà.

Ladegeräte im Vergleich

Wenn große Hersteller wie Samsung und Apple Qi in ihre Handys verbauen, gibt es natürlich einen riesigen Markt für Drittanbieter. Alle wollen ein Stück vom Kuchen ab haben. Natürlich muss die Spreu von dem Weizen getrennt werden, denn wie so häufig sind die billigsten Geräte eine Fehlinvestition. Wir möchten Dir zwei gute Geräte vorstellen, die Dein Smartphone drahtlos laden.

Pulesen Wireless Charger: Zwei Spulen für optimalen Ladevorgang

Wie bereits erwähnt: Die Qi-Ladetechnik ist sehr empfindlich, was die Positionierung der beiden Spulen aufeinander angeht. Deswegen ist es nötig, beide Geräte möglichst genau zueinander zu positionieren. Aber es geht auch anders: Das Ladegerät von Pulesen setzt auf zwei Spulen. Sie sind leicht versetzt verbaut. Je nachdem, welche Spule die bessere Abdeckung erreicht, wird diese mehr genutzt. Dadurch erhälst Du stets den schnellsten Ladevorgang und musst weniger auf die Position des Handys achten.

Eine farbige LED signalisiert, ob der Akku bereits voll geladen ist, wenn Du Dein Smartphone darüber drahtlos laden willst. Der Hersteller gibt keine Angaben, wie schnell der Ladevorgang genau ist. Rezensionen sprechen von einer recht fixen Ladezeit. Der Pulesen Wireless Charger kostet 18,95 Euro.

Streifholz: Qi-Ladegerät aus Echtholz

Solltest Du eher auf die Ästhetik Deiner Technik achten, ist das Qi-Ladepad von Streifholz eine Überlegung wert. Die Oberfläche wurde von einem Schreiner durch Handarbeit zugeschnitten. Das echte Nussbaum-Holz macht einiges her. Das Ladegerät soll laut Angaben des Herstellers bis zu zehn Watt liefern können. Dabei setzt Streifholz nicht auf eigene Elektronik, sondern nutzt Ladetechnik von Anker. Dadurch kannst Du Dich auf hohe Qualität freuen. Das Streifholz Qi-Ladegerät ist dafür aber nicht gerade günstig: Es kostet 59 Euro.

Die Zukunft: Smartphone drahtlos laden im ganzen Raum

Qi ist nur der Anfang. Entfernungen von drei Zentimetern sind nicht viel. Wie wäre es, wenn Du stattdessen im ganzen Haus automatisch den Akku füllen könntest? Genau daran forschen viele Personen. 2014 schaffte es eine Gruppe südkoreanischer Wissenschaftler, Energie über eine Distanz von bis zu sieben Metern zu übertragen. Das System arbeitet allerdings noch nicht wirklich gut. Um in dieser Distanz 10 Watt zu empfangen, braucht der Sender mehr als 2.000 Watt. Aber: In einer Entfernung von drei Metern kommen sogar 1.400 Watt an. Die Skalierung ist also noch ein Problem.

Andere Forscher möchten bereits vorhandene Funkwellen „melken“. Du bist schon jetzt fast überall von WLAN-Wellen umgeben. Hier handelt es sich zwar nur um Energie im Milliwatt-Bereich. Trotzdem könnte diese Kraft einen Akku laden. Die Po-WiFi-Technik wurde bereits bei kleinen Gadgets eingesetzt. Durch die übertragene Leistung konnte zum Beispiel ein Fitnesstracker geladen werden. Für Smartpones reicht dieser Ansatz wahrscheinlich nicht aus. Dafür müsste die Funkstärke des WLAN-Signals erhöht werden, was aber nicht mit Gesetzen konform wäre.
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