iPhone Xs im Test: Leistungswunder im bekannten Gewand

Kamera: Kleine, aber deutliche Verbesserung zum Vorgänger

Sieht man sich die reinen Zahlen an, so scheint Apple wohl nicht viel an der Kamera des iPhone Xs getan zu haben. Hier stehen 12 MP als Dual-Kamera zu Buche mit einer f/1.8 Blende für die Hauptkamera und f/2.4 für den zweifachen Zoom. Beide Linsen sind zudem mit einer optischen Bildstabilisierung ausgestattet.

Das sich angeblich nichts geändert haben soll, ist allerdings ein Trugschluss. Neben einem neuen LED-Blitz, der in vier unterschiedlichen Farbtönen die Umgebung ausleuchten kann, ist auch der hinterliegende Sensor überarbeitet worden. Dieser besitzt nun deutlich größere Pixel und ist damit lichtempfindlicher, kann mehr Details aufnehmen und damit insgesamt auch schärfere und detailreichere Fotos aufnehmen. Zudem ist mit Smart HDR ein neuer Modus integriert worden. Soweit die Theorie, aber gilt das auch für die Praxis?

Tatsächlich merkt man den Unterschied stark. Bilder wirken in der Nachbetrachtung schärfer, vor allem in der Ferne bleiben weitaus mehr Details übrig, als es noch beim Vorgänger war. In dunkleren Lichtumgebungen sind ebenfalls deutlich mehr Details zu erkennen. Das liegt allerdings nicht nur am überarbeiteten Sensor. Die Implementierung des neuen intelligenten Smart HDR-Modus ist ein enormer Vorteil in den meisten Situationen.

Smart-HDR-Modus verbessert iPhone Xs Kamera maßgeblich

Der Smart HDR Modus in den Kameraeinstellungen ist allerdings kein reines Software-Feature. Es ist ein Zusammenspiel aus dem verbesserten Sensor hinter den Linsen und dem neuen Bildprozessor auf dem Apple A12 Bionic. Beide ermöglichen im Zusammenspiel den neuen Smart HDR Modus, der eine hohe Anzahl an gleichzeitig aufgenommen Fotos zu einem einzigen Bild zusammensetzt. Darunter unter- und überbelichtete Motive. Vor allem das überbelichtete Motiv ist wichtig, da hier Details aus den Schatten und dunkleren Bereichen für das zusammengesetzte Bild herausgezogen werden.

Das gilt übrigens auch für lichtreiche Umgebungen und in Bereichen mit kleinen aber vielen unterschiedlichen Lichtquellen. Beispielsweise das Abfotografieren einer Straße bei Nacht mit vereinzelten Laternen. Die Lichtpunkte blähen sich nicht mehr all zu stark zu größeren, verschwommenen Flecken auf, so das an den Rändern der Lichtquellen noch genügend Details zu erkennen sind.

Das führt zu enorm mehr Details, kontrastreichen Farben und deutlich weniger Rauschen bei dunkleren Lichtverhältnissen. Der Unterschied zum iPhone X ist in schwierigen Situationen teilweise deutlich zu erkennen und das nur dank der neuen Smart HDR Funktion des iPhone Xs. Anders als die Szenenerkennung anderer Smartphones, die einfach nur den Kontrast teilweise deutlich überdrehen, wirkt Apples HDR-Modus sehr natürlich und belebt das Bild auf eine nicht überzeichnete Weise.

Bokeh-Effekt erstaunlich präzise, starkes 3D-Mapping ohne zweite Kamera

Zudem hat Apple auch am Bokeh-Effekt gearbeitet. Dieser Effekt tritt auf, wenn man ein Porträt-Foto anfertigt, bei dem der Hintergrund verschwimmen soll. Bisher wurde hier bei den iPhones ein eher fixer Wert genommen, der immer die selbe Unschärfe produzierte. Die neue Kamera arbeitet aber im Zusammenspiel mit dem ebenfalls neuen ISP hervorragend zusammen. Das gilt nicht nur für die rückseitige Kamera, sondern auch für die Front.

Apple erstellt aus der künstlichen Intelligenz, dem neuen ISP und der Kamera ein sehr präzises 3D-Bild der Umgebung um das Porträt herum. Das führt dazu, dass man in der Nachbearbeitung unterschiedliche Blendenstufen einstellen kann. Dadurch kann also schlussendlich der Unschärfegrad im Bild selbst festgelegt werden. Das funktioniert erstaunlich gut und Apple will die Funktion mit iOS 12.1 bald sogar weiter verbessern.

iPhone Xs Bokeh SettingsQuelle: Marcel Laser / handy.de
Ein leichter Unschärfe-Effekt.
iPhone Xs Bokeh MappingQuelle: Marcel Laser / handy.de
Die Nachbearbeitung des Schärfegrades macht Spaß.

 

iPhone Xs Bokeh Studio-LightQuelle: Marcel Laser / handy.de
Artefaktbildung am Ohr, beim Einstellen des Bokeh-Effektes.

 

Dennoch kann der ein oder andere Modus für Artefakte an den Rändern sorgen. Stellt man eine hohe Unschärfe ein und nutzt einen der Nachbearbeitungs-Effekte wie Studio- oder Bühnenlicht, erkennt man diese beim Reinzoomen ganz gut. Beim dritten Bild haben wir während der Bearbeitung herangezoomt. Am Ohr erkennt man sehr deutlich die Artefaktbildung. Das hängt aber auch stark vom Hintergrund ab und wie die Kamera mit dem Mapping zurechtkommt. Die Frontkamera ist hier natürlich gegenüber der rückseitigen Version im Nachteil.

Wie bereits beschrieben, ist der neue Bokeh-Effekt nur in der Nachbearbeitung möglich. Mit iOS 12 bekommen die neuen iPhones diese Funktion auch als Echtzeit-Feature spendiert. Dann kann man bereits vor dem Foto die Schärfe in Echtzeit nach Belieben verändern.

Die neue Kamera im iPhone Xs ist schlichtweg herausragend. Möglich macht das der neue Sensor im Zusammenspiel mit dem neuen Prozessor und der Smart HDR-Funktion. Während Szenenerkennungen anderer Hersteller die Bilder meistens eher unbrauchbar machen, scheint Smart HDR in den meisten Fällen genau zu wissen, was zu tun ist. Das erleichtert das Fotografieren enorm, sorgt für tolle Ergebnisse, vor allem in schwummrigen Lichtverhältnissen und macht einfach Spaß. Auch der neue Bokeh-Effekt ist toll.

Akku: Keine nennenswerte Steigerung zum Vorgänger

Interessant wurde es dann vor allem bei der angegebenen Akkulaufzeit. Laut Apple soll mit dem iPhone Xs eine halbe Stunde mehr drin sein, als mit dem Vorgänger. Aber stimmt das auch? Naja, die Frage lässt sich eher schwer beantworten. Nimmt man hart durchstrukturierte Methoden, die auf ein statisches Verfahren aufgebaut sind, dann wird man durchaus eine Verbesserung spüren.

Im Alltag selbst gestaltet sich das aber etwas schwieriger als gedacht. Nutzt man rechenintensive Apps wie Spiele oder gar eine Navigation, dann scheint sich die Akkulaufzeit kaum bis eher gar nicht verbessert, in einigen Fällen sogar verschlechtert zu haben. Das liegt wohl vor allem an der Tatsache, dass der Prozessor durch den 7-nm-Prozess zwar stromsparender, aber der Akku mit 2.658 mAh leicht reduziert wurde.

Solange man keine rechenintensiven Dinge anstellt, kann man also tatsächlich vom 7-nm-SoC im iPhone Xs profitieren und eine leichte Verbesserung feststellen. Nutzt man aber viel die Kamera im Smart HDR Modus oder andere schwere Geschütze, dann sieht die Sache plötzlich anders aus und es kann durchaus passieren, dass die Prozentanzeige sogar leicht schneller dahinschmilzt als beim iPhone X.

Grundsätzlich würden wir also erst einmal davon ausgehen, dass sich insgesamt nur wenig an der Akkulaufzeit getan hat. Sie ist gewohnt gut, aber nicht herausragend. Bei normaler Nutzung sind anderthalb Tage aber locker drin. Auch eine intensive Nutzung ist über den Tag gesehen, je nach Anwendungsfall, absolut machbar. Das hängt aber stark von den persönlichen Präferenzen ab.

iPhone Xs Akku

iPhone Xs AkkuQuelle: Marcel Laser / handy.de

iPhone Xs AkkuQuelle: Marcel Laser / handy.de

Kabelloses Laden ja, aber Fast-Charge nur mit Vorbehalt

Seitdem Apple mit den iPhone 8 und iPhone X Modellen das kabellose Laden nun ebenfalls integriert, setzt man auch beim iPhone Xs auf den Trend. Wer also entsprechende Ladematte besitzt, kann sein iPhone Xs drauflegen und es wird ganz ohne weitere Kabel am Gerät aufgeladen.

Schwieriger wird es dann doch mit Fast-Charge. Zwar unterstützt das iPhone Xs das schnelle Laden durchaus, kann es aber „Out-of-the-Box“ nicht abrufen. Das liegt daran, dass Apple kein Netzteil für das Schnellladen des iPhones in den Karton legt. Somit muss man sich weiterhin mit sehr langsamen Ladegeschwindigkeiten zufrieden geben.

Wer ein iPad Zuhause liegen hat, wird allerdings dennoch in den Genuss von Fast-Charge kommen. Das iPhone Xs unterstützt das Netzteil des Apple Tablets und wird durch dieses deutlich schneller aufgeladen. Ansonsten muss man ein entsprechendes Netzteil nachträglich erwerben.

Hier verhält es sich merkwürdigerweise sehr schwierig. Grundsätzlich würden wir behaupten, dass die Akkuleistung im Vergleich zum Vorgänger gestiegen ist. Das trifft aber nicht in allen Situationen zu, Auf der einen Seite werden wir Nutzer haben, die sogar schlechtere Ergebnisse erzielen werden. Eine goldene Mitte suchen und sagen „es habe sich nichts verändert“ würde der Sache auch nicht gerecht werden. Zudem ist es immer noch ärgerlich, dass Apple bei dem extrem hohen Preis kein Fast-Charging-Netzteil mitliefert.

Gutes Stereolautsprecher-System, mit „Volumen“ nach oben

Dass Apple bereits gute Ergebnisse mit seinen Dual-Speakern in Smartphones erzielt, ist bekannt. Der Lautsprecher im iPhone Xs ist ebenfalls ein guter Vertreter seiner Art. Die Bässe sind, soweit man bei einem Smartphone überhaupt von Bass sprechen kann, knackig. Grundsätzlich kommt die Musik klar und verständlich rüber, doch scheint der Lautsprecher Probleme in leiseren Regionen mit den Höhen und streckenweise auch mit den Mitten zu haben.

Das führt dann in etwa dazu, dass sich der Speaker auf dem ersten Probehören leicht blechern anhört. Allerdings scheint sich das Gefühl nach einiger Zeit zumindest in Teilen aufzulösen. Denn generell klingt das iPhone Xs nicht schlecht und kann gerne auch Mal als kurzfristiger Mini-Speaker herhalten. Das iPhone Xs Max hingegen, kann durch die größere Bauweise mehr Volumen entfalten, was dem Klang deutlich in die Karten spielen sollte.

Allerdings würden wir an dieser Stelle nicht empfehlen den Dual-Lautsprecher zum Schauen von Netflix-Serien oder Spielen von Smartphone-Games zu verwenden. An einigermaßen ausreichende Kopfhörer reicht bisher kein Smartphone-Lautsprecher heran. Grundsätzlich klingt das iPhone Xs aber hervorragend und macht für derart kleine Lautsprecher einen sehr guten Job.

Der Lautsprecher ist gut, eigentlich sogar sehr gut. Aber es braucht seltsamerweise ein wenig Anlaufzeit. Grade der gut abgestimmte Stereo-Sound der in Positionsbestimmungen in Spielen von Vorteil sein kann, funktioniert extrem gut. Natürlich ist das iPhone Xs aber kein Ersatz für einen guten Bluetooth-Speaker. Das ist aufgrund des fehlenden Volumens auch gar nicht möglich. Annehmbar ist der Klang aber allemal.