Klein, groß, schlicht, auffällig, günstig, teuer – Du kannst aus einer immer vielfältigeren Auswahl an Bluetooth-Kopfhörern wählen. Herstellern fällt es zunehmend schwer, Deine Aufmerksamkeit auf ihre Modelle zu lenken. Der deutsche Audio-Spezialist Beyerdynamic versucht es mit einer Funktion, die die Quadratur des Kreises anmutet. So soll das ohraufliegende Modell Beyerdynamic Aventho Wireless einen auf die ganz persönlichen Bedürfnisse zugeschnittenen Klang bieten. Denn schließlich variiert die Form von Außenohr und Gehörgang bei jedem Menschen, und der Hörsinn ändert sich auch noch über die Jahre. Aber wie gelingt ein Wunschkonzert bei einem Kopfhörer, der wie jeder andere in Massenfertigung entsteht? Über ein ausgeklügeltes Messverfahren per App! Davon wollten wir uns unbedingt mit eigenen Ohren überzeugen.
Wie Dein persönliches Klangprofil entsteht
Mit vorgefertigten Klangprofilen und dem Verschieben von EQ-Frequenzbändern lässt sich der Sound in Smartphone-Betriebssystemen und Musik-Apps schon lange nach Belieben anpassen. Aber das ist nicht die Art von Individualität, die Beyerdynamic mit dem Aventho Wireless bieten will. Stattdessen verwendet der Hersteller aus Heilbronn einen Hörtest, um möglichst ideale Einstellungen für jeden Nutzer und jede Nutzerin zu ermöglichen. Das Verfahren dafür hat das Start-Up Mimi Hearing Technologies aus Berlin entwickelt.
Für den sechsminütigen Hörtest verbindest Du zunächst den Aventho Wireless per Bluetooth mit Deinem Smartphone oder Tablet. Anschließend installierst Du die App MIY kostenlos aus dem Google Play Store oder Apple App Store. MIY steht für „Make it yours“, der Name ist Programm. Denn direkt nach dem Start bietet Dir App an, ein persönliches Soundprofil zu erstellen. Dazu spielt sie auf jeder Kopfhörer-Seite Töne entlang eines großen Frequenzspektrums ab. Durch Drücken eines Softbuttons in der App signalisierst Du, welchen Ton Du wie lange hörst.
Anhand des Testergebnisses justiert die Beyerdynamic-App die Klangcharakteristik des Aventho Wireless. Dabei können wir eine von fünf Intensitätsstufen wählen, in der der Kopfhörer das Profil anwendet. Diese Einstellungen bleiben in der Elektronik des Kopfhörers selbst gespeichert. Daher bleibt das Klangprofil auch dann benutzbar, wenn die MIY-App nicht im Hintergrund läuft oder wenn Du den Kopfhörer mit einem anderen Abspielgerät verbindest.
So klingt der Beyerdynamic Aventho Wireless
Ab Werk ist der Klang des Beyerdynamic Aventho Wireless neutral eingestellt. Das bedeutet, dass er Audiosignale möglichst unverändert wiedergibt, also beispielsweise den Bass nicht verstärkt und die Höhen nicht anhebt. Hifi-Puristen mag das freuen. Weil Songs damit aber auch einfach nur flach klingen, kommt gerade bei modernen basslastigen und elektronischen Genres kein richtiger Spaß auf.
Nachdem wir das persönliche Soundprofil erstellt haben, gefällt uns der Klang deutlich besser. Die Höhen empfinden wir als klarer, den Bass als präsenter. Wir hören Becken, Stimmen und Drums noch etwas detailreicher als schon zu vor. Dennoch fehlt es an knackiger Präzision und einer druckvollen, breiten Stereobühne. Der Klang bleibt eng und etwas schlapp – selbst auf der höchsten Intensitätsstufe unseres Soundprofils.
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Diesen Eindruck hinterlässt der Aventho Wireless sowohl im Zusammenspiel mit iOS bei einem iPhone X als auch mit Android bei einem Huawei MediaPad M5 lite. Dass Android den vom Aventho Wireless unterstützten aptX-HD-Codec verwenden kann, macht dabei keinen Unterschied. Dieser lässt sich händisch ein- und ausschalten. Der von Apple verwendete AAC-Codec ist offenbar standardmäßig aktiviert.
Der Beyerdynamic Aventho Wireless klingt somit zwar insgesamt hochwertig und brilliert vermutlich bei Messergebnissen im Labor. Feststimmung löst er im Test jedoch nicht aus.
Edles Retro-Design
Wer mit dieser Klangcharakteristik leben kann, erhält mit dem Aventho Wireless einen äußerst schicken Kopfhörer im edlen Retro-Design. Der Einsatz von brauner oder schwarzer Lederoptik, flachen Aluminiumbändern und frei schwebenden Kabeln erinnert an den klassischen Kopfhörer-Look aus analogen Zeiten.
Für einen komfortablen Sitz sorgt die weiche Polsterung an Ohrmuscheln und Bügel. Anhand verstellbarer Bügelschienen lassen sich die Ohrmuscheln präzise mittig über den Ohren platzieren, was bei einem aufliegenden statt umschließenden Kopfhörer wesentlich zur Wahrnahme der Bassintensität beiträgt. Wir würden uns aber einen etwas höheren Anpressdruck wünschen, um Umgebungsgeräusche noch besser auszusperren.
Präzise Touch-Bedienung
So retro der Beyerdynamic Aventho Wireless auch aussehen mag, so sehr ist er mit moderner Technik vollgestopft. Gelungen finden wir die Bedienung über ein Touch-Pad auf der Außenseite der rechten Ohrmuschel. Durch Wisch- und Doppeltipp-Gesten lassen sich Musikstücke und deren Lautstärke präzise bedienen. Anrufe können wir damit ebenso leicht entgegennehmen, wie Siri oder Google Assistant auf dem Mobilgerät aufrufen. Wem das Touch-Pad zu langsam oder zu voreilig reagiert, der variiert die Empfindlichkeit in der MIY-App.

Widerspenstige App
Während der Hörtest einwandfrei funktioniert hat, ist die MIY-App im täglichen Betrieb kaum zu gebrauchen. Sowohl die iOS-Version 1.0.10 als auch die Android-Version 1.1.15 legt ein seltsames Verbindungsverhalten an den Tag. Häufig findet sie den an sich erfolgreich mit dem Mobilgerät gekoppelten Kopfhörer (Firmware-Version 1.0.44) nicht. Dann bleibt nur ein komplettes Unpairing, um Kopfhörer und App wieder zur Zusammenarbeit zu bewegen. Das ist natürlich kein alltagstauglicher Vorgang.
Unter iOS scheint eine doppelt vorhandene Bluetooth-Verbindung zur problematischen App-Performance beizutragen. Zudem gibt es wohl einen Zusammenhang bei einem Einsatz mit zwei verbundenen Mobilgeräten. Dabei ist der Beyerdynamic Aventho Wireless extra dafür gedacht, abwechselnd von zwei Geräten Musik abspielen zu können. Sogar bis zu acht Geräte kann er sich merken.
Aufgrund dieser Alltagsuntauglichkeit können wir auch praktisch keinen Nutzen aus der kontinuierlichen Hörtracking ziehen. Damit addiert die App wie viel Musik wir in strapaziöser Lautstärke gehört haben und warnt uns, wenn das Limit erreicht ist. Bisher sind wir – auch wegen der instabilen App – nie an diese Grenze gestoßen. Die unterdurchschnittlichen App-Bewertungen im Apple App Store und Google Play Store bestätigen unseren bescheidenen Eindruck von der MIY-App.
Ausdauernder Akku
Als nützliche Bedienhilfe betrachten wir das Sprach-Feedback, bei dem eine künstliche Stimme nach dem Kopfhörer-Start mitteilt, ob das Gerät verbunden ist und wie Prozent von der Ladekapazität des Akkus übrig sind. Der Energiespeicher liefert laut Beyerdynamic bis zu 30 Stunden Spieldauer, was wir aufgrund unser Testeindrücke für realistisch halten. Für einen ohraufliegenden Kopfhörer ist das ein erfreulich ausdauernder Wert. Benötigt er frische Energie, lässt sich der Beyerdynamic Aventho Wireless über einen zeitgemäßen USB-C-Anschluss aufladen.

Fazit: Formvollendet ist nur das Design
Beim ohraufliegenden Bluetooth-Kopfhörer Aventho Wireless von Beyerdynamic handelt es sich um ein sehr edel designtes Modell mit innovativem Personalisierungsansatz, der die modernen Möglichkeiten smarter Technik demonstriert. Im Kernkriterium Klang präsentiert sich der Aventho Wireless hochwertig aber angesichts des gehobenen Preises nicht überzeugend genug. Darüber hinaus trüben Software-Probleme den Praxiseindruck, der für ein Premium-Produkt von einem Hersteller dieses Rangs nicht standesgemäß ist. Außerdem vermissen wir die in dieser Preisklasse übliche Funktion der elektronischen Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen (ANC).
Der Beyerdynamic Aventho Wireless ist für 450 Euro erhältlich. Online lassen sich ein paar Euro sparen.
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